

Henri Wüger
Der 59-jährige Zürcher führt die Wüger Gastronomie in dritter Generation; die vierte steht bereits in den Startlöchern. Die beiden Söhne von Henri Wüger werden das Familienunternehmen in fünf Jahren übernehmen.
Interview: Bernadette Bissig Bilder: Holger Jacob
Als Henri Wüger vor knapp dreissig Jahren die Restaurationsbetriebe des Hallenstadions von seinem Vater übernahm, sei «d Hallä» heruntergewirtschaftet gewesen. Heute hätten viele Caterer Interesse daran. Daneben betreibt der Zürcher die beiden Hotels Krone Unterstrass und Sternen Oerlikon, die ebenfalls seit Jahren in Familienbesitz sind. Bei den Restaurationsbetrieben im Hallenstadion hat Henri Wüger selber das Zepter in der Hand. In den beiden Hotels stehen je eine Direktorin und ein Direktor im Einsatz, die schon seit vielen Jahren für den Familienbetrieb arbeiten. Die Hotels der Wüger Gastronomie weisen eine beneidenswerte Auslastung von 85 Prozent auf.
Hotelier: Henri Wüger, Sie sind in einer Hoteliersfamilie aufgewachsen. War für Sie schon immer klar, dass auch Sie dereinst diesen Weg einschlagen würden? Henri Wüger: Ja, die Branche hat mich immer fasziniert. Mein Vater wirtete im Hallenstadion, und mein Onkel führte das Hotel Sternen hier in Oerlikon. Ich verdiente meine Sporen ausserhalb des Familienbetriebs ab. Nach der Kochlehre, der Handelsschule und der Hotelfachschule Lausanne zog es mich in die internationale Hotellerie. Ich ging damals nicht davon aus, dass ich hier heimisch würde. Ich stand kurz davor, die Direktion eines Hotels im Ausland zu übernehmen. Und dann kam die Anfrage meines Vaters, im Hallenstadion einzusteigen.
Hotelier: Hat er viel Überzeugungsarbeit gebraucht? Wüger: Ich habe auf jeden Fall nicht auf Anhieb zugesagt. Für mich war das Hallenstadion damals eine alte Bude. Man hatte lange nichts mehr investiert. Sepp Vögeli, der damalige Direktor des Hallenstadions, hat mich dann überzeugt, einzusteigen. Mittlerweile bin ich fast 30 Jahre im Hallenstadion tätig. 1992 kaufte ich meinem Vater das Hotel Krone Unterstrass ab. Der «Sternen» kam erst 2012 dazu. Der Betrieb gehörte meinem Onkel. Mein Cousin hatte diesen Betrieb übernommen. Er war jedoch gesundheitlich angeschlagen. So habe ich ihm das Hotel abgekauft und komplett renoviert. Wir haben alles ausgekernt und neu aufgebaut. Es ist nun quasi ein neuer Betrieb. Davor hatte die Liegenschaft beträchtlichen Investitionsrückstand. Zurzeit bauen wir die «Krone Unterstrass» um. So bin ich seit 30 Jahren mehr oder weniger immer am Renovieren und am Sanieren bei einem der drei Betriebe.
Hotelier: Sie haben zwei Söhne. Werden diese, wie Sie selbst damals, in den Betrieb einsteigen? Wüger: Meine beiden Söhne haben auch in der Hotellerie Fuss gefasst. Die beiden werden in drei bis fünf Jahren einsteigen. Seit ich das weiss, bin ich ganz anders motiviert. Der eine Sohn ist noch an der Hotelfachschule Luzern. Zurzeit macht er ein Kaderpraktikum im «Marriott» Zürich. Der andere hat die Hotelfachschule Belvoirpark abgeschlossen und arbeitet als Restaurationsleiter im «Dorint». Die beiden ergänzen sich sehr gut. Der eine ist eher der Administrator, der andere mehr der Organisator. Wenn sie übernehmen, werde ich sie noch begleiten. Ich muss ja nicht mit 65 Jahren aufhören, das ist das Schöne. Ich kann mich etwas zurückziehen und aus dem Hintergrund wirken. Es war mir ein grosses Anliegen, dass meine Söhne zuerst extern Karriere machen. Es ist wichtig, dass die Jungen nicht zu früh einsteigen. Sie müssen ihre Erfahrungen anderswo machen und sich in einer Geschäftsleitungsposition behaupten. Das kann ich nur jedem empfehlen.
Hotelier: Was würden Sie als grössten Vorteil eines Familienunternehmens bezeichnen? Wüger: Man hat kurze Entscheidungswege. Wenn man als Mitarbeiter den Patron überzeugen kann, dann rollt die Geschichte. Zudem ist der Know-how-Transfer in einem Familienbetrieb vermutlich besser.
Hotelier: 2010 haben Sie die Wüger Gastronomie AG gegründet. Was waren Ihre Beweggründe? Wüger: Bis 2010 waren wir eine Einzelfirma. Diese Form hätte ich natürlich schon viel früher in eine Aktiengesellschaft überführen wollen. Denn als ich im Hallenstadion anfing, musste ich als neuer Gastronomiepächter bei null anfangen. Dadurch habe ich mich verschulden müssen. Bis ich wieder etwas Oberwasser hatte, konnte ich nicht investieren. Dies behagte mir nicht. So beschloss ich, eine AG zu gründen, die in sich selbstständig ist. Aber in unsicheren Zeiten eine AG gründen zu wollen, stiess bei den Banken nicht auf Begeisterung. Darum konnte ich die Wüger Gastronomie AG erst 2010 realisieren. Wenn meine Söhne einsteigen, werden wir allenfalls eine Expansion ins Auge fassen, um das Unternehmen etwas breiter abzustützen. Da gibt es natürlich interessante Projekte, die gut zu uns passen würden. Zum Beispiel ein Betrieb wie ein Schützenhaus Albisgüetli, ein grösseres Restaurant, wo wir unsere Erfahrungen einbringen könnten. Doch ich bin kein Fan von Expansion um jeden Preis. Das Ganze muss Sinn machen, und man muss damit auch Geld verdienen können.
Hotelier: Zürichs Hotellerie steht unter Druck. Es sind viele neue Hotels entstanden, und es werden noch zusätzliche dazukommen. Spüren Sie den Preisdruck? Wüger: Wir spüren den Preiskampf deutlich, und dieser wird sich noch massiv verstärken mit all den Hotels, die noch aufgehen werden. Einerseits sind wir von den Auktionen der grossen Firmen, die weltweit tätig sind und Logiernächte generieren, natürlich nicht ausgenommen. Andererseits sind da eben diese Mitbewerber, die für die Belegung fast alles machen. Auch preislich. Da gilt es das Schiff auf Kurs zu halten. Wir machen jedoch nicht jede Preisbewegung nach unten mit. Wir haben einen Preis-Range, in dem sich die Firmen bewegen können. Ein Unternehmen, das 1000 Logiernächte bucht, hat grundsätzlich einen anderen Preis als eine Firma, die zehn Logiernächte bucht. Das ist ja klar.
Hotelier: Was sehen Sie neben dem verstärkten Preisdruck noch als grosse Herausforderung für die Stadthotellerie? Wüger: In der Stadthotellerie gibt es Betriebe, die einen grossen Investitionsrückstand haben. Wenn dieser Rückstand nicht markant aufgeholt werden kann, dann haben solche Betriebe keine Chance. Der Gast will heute nicht mehr in ein Hotel, wo der Spannteppich schäbig und die Einrichtung veraltet ist. Die Leute wollen heute zu Recht ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ein Angebot, das wirklich State of the Art ist. Das ist die grosse Herausforderung neben diesen vielen Hotels, die im Entstehen begriffen sind. Solche Hotelsprünge hatten wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt. Doch der Flughafen ist immer mitgewachsen. Nach zwei, drei Jahren hatte sich die Sache wieder normalisiert. Nun ist aber das Problem, dass der Flughafen nicht mehr oder nur noch minim wachsen wird. So werden wir in Zukunft ein Überangebot haben. Erschwerend kommt Airbnb dazu. Ich habe nicht per se Mühe mit Airbnb, wenn die Spielregeln identisch sind. Taxen, Mehrwertsteuer, feuerpolizeiliche Auflagen; all diese Sachen, um die wir jeden Tag kämpfen müssen, die sollen für Airbnb auch gelten.
Hotelier: Sie führen ein Familienunternehmen, sind finanziell unabhängig und haben keinen Mäzen im Hintergrund. Schauen Sie ab und zu mit Neid auf Betriebe mit Investoren im Rücken? Wüger: Natürlich. Wir haben einige Beispiele von Hotels auf dem Platz Zürich, die den Markt verzerren. Das ist ja kein Geheimnis. Dann gibt es heute viele Immobilienfonds von Grossbanken, die in Geld schwimmen und einen Anlagenotstand aufweisen. Das «Kameha» ist ein typisches Beispiel, wo man auf der grünen Wiese an einem völlig unattraktiven Ort ein Fünfsternehotel baut, das überhaupt keine Daseinsberechtigung hat und auch nicht läuft. Mich stört das. Als ich hier den «Sternen» kaufte und umbaute, mussten wir unsere Hypotheken neu ausrichten. Dafür haben wir einen Businessplan gemacht und wurden auf Herz und Nieren geprüft. Dann bekamen wir die Hypotheken unter vielen Auflagen. Ich frage mich, was für ein Businessplan im «Kameha» gemacht wurde. Die gegenwärtige Niederzinspolitik ist verheerend für uns. Denn die grossen Immobilienfonds und institutionellen Anleger sind heute schon mit einer Nullrendite zufrieden. Hauptsache, es ist angelegt. Und dann diese Mäzene, die sich ein Hotel leisten, das ist definitiv ein Problem.
Hotelier: Sie sind nun rund 30 Jahre im Familienbetrieb involviert. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Wüger: Auf der einen Seite ist die Erwartungshaltung der Kunden gestiegen. Im Veranstaltungsbereich, in der Hotellerie und in der Restauration. Ich kann mich noch gut erinnern: Als ich im Hallenstadion anfing, hatten wir in den oberen Rängen keine Kühlräume. Die Leute haben das Bier auch warm getrunken, und es hat keiner reklamiert. Das wäre heute undenkbar. Auf der anderen Seite haben wir im Gastgewerbe Mühe, gute Leute zu halten. Aus diesem Grund habe ich die Zimmerstunde abgeschafft. In Amerika gibt es sie seit 80 Jahren nicht mehr. Und wir in der Schweiz haben immer noch das Gefühl, wir könnten junge Leute motivieren, solch unattraktive Arbeitszeitsmodelle in Kauf zu nehmen. Es war jedoch ein Kampf, die Zimmerstunde in meinen Betrieben abzuschaffen. Ich stiess auf grossen Widerstand. Es braucht halt ein bisschen mehr Organisationstalent und ein bisschen mehr Kreativität bei der Dienstplanerstellung. Doch es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Hotelier: Sie sind für die Geschicke der Restaurationsbetriebe Hallenstadion verantwortlich. Hätten Sie nicht lieber die Direktion der beiden Hotels übernommen?
Wüger: Das Hallenstadion ist von der Grösse und der Komplexität her der wichtigste der drei Betriebe. Und aus diesem Grund führe ich ihn persönlich. Denn das sind grosse Kisten, die dort ablaufen. Das liegt mir auch sehr. Ich bin nicht so der Handshaker. Mir liegt das Organisieren. Wir haben Bankette für 3000 Personen, Corporate-Veranstaltungen bis zu 6000 Personen und Publikumsveranstaltungen für 15000 Personen. Da muss ich persönlich ein Auge draufhaben, denn wenn etwas schief geht, hat man eine unerwünschte Hebelwirkung. Wir können uns im Hallenstadion keine Fehler in Bezug auf Lebensmittelhygiene leisten. Da gibt es Null-Toleranz.
Hotelier: Wie viel Mitarbeitende sind im Hallenstadion im Einsatz?
Wüger: Im Hallenstadion haben wir 25 Festangestellte, hauptsächlich Kaderleute sowie Küchenbrigade. Das sind neun Vollzeitmitarbeitende. Dann haben wir zusätzlich noch 500 Teilzeitmitarbeitende auf Abruf, mit denen wir die verschiedenen Bereiche verstärken. Das Küchenteam ist relativ gross, damit wir die Qualität halten können. Denn wir haben einen relativ stark ausgebauten VIP-Bereich. Dort muss man auf hohem Niveau Dienstleistungen erbringen. Da braucht es zwingend eine eingespielte Küchencrew.
Hotelier: Wie planen Sie die Einsätze der Teilzeitmitarbeitenden?
Wüger: Das Aufgebot der Teilzeitmitarbeitenden im Hallenstadion hat man früher per Telefon oder per Post gemacht. Das hat zu vielen Missverständnissen oder Now-Shows geführt. Seit vier Jahren haben wir die Personalverwaltungs-/ Planungssoftware Pers Plan Net im Einsatz. Wir waren die ersten in der Schweiz, die das System – eine Cloudlösung – integral verwendeten. Wir können unser Aufgebot aufschalten und die Mitarbeiter, die vom Profil her passen, erhalten ein SMS oder ein E-Mail. Diese können sich dann einloggen und sich für diesen Anlass anmelden. Seit wir das haben, ist das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden um 15 Jahre gesunken. Wir sprechen vermehrt Studentinnen und Studenten an. Mit dem alten System hatten sie es schwer. Die hatten da vielleicht ein- zweimal abgesagt und sind so durch das Raster gefallen. Heute sind sie hingegen immer dabei. Dieses System kommt ihnen entgegen. Da muss man eben schauen, dass man am Ball bleibt.
Hotelier: Wie lange läuft Ihr Vertrag im Hallenstadion noch?
Wüger: Mein Vertrag läuft noch bis 2025. Dann gibt es eine Neuverhandlung. Da ich einer der Hauptaktionäre des Hallenstadions bin, werden die Verhandlungen natürlich nicht ganz einfach (lacht). Es ist klar, unsere Leistungen müssen stimmen. Dann kann man jedoch plausibel erklären, warum man mit dem bisherigen Caterer weiterarbeitet. Damals im 98 krähte kein Hahn danach, der Caterer zu sein. Heute sieht die Situation etwas anders aus. Als ich 1998 anfing, stand das Hallenstadion wegen Misswirtschaft kurz vor dem Konkurs. Ich war auch auf dem Sprung. Doch der Konkurs konnte haarscharf abgewendet werden. Wir haben ein Aktionärsdarlehen eingeschossen, damit wenigstens die Löhne bezahlt werden konnten. Dann wurde mit André Bechir von Good News eine neue Direktion verpflichtet, der Verwaltungsrat wurde personell neu ausgerichtet und das Aktionärsdarlehen in Aktien umgewandelt. So kam es, dass wir plötzlich 47 Prozent der Aktien hielten. Damals wollte niemand investieren. Ich habe damals die Hypothek auf der Krone erhöht, damit ich das Aktionärsdarlehen einschiessen konnte. Dann sagten wir uns, wenn wir schon Geld drin haben, dann wollen wir auch mitbestimmen, wie es läuft. Aus dem Grund habe ich das VR-Präsidium der AG Hallenstadion übernommen. Mit der neuen Direktion haben wir das Umbauprojekt aufgleisen können. Als wir 2005 eröffnet haben, zog die Wirtschaft wieder an. Wir hatten eine sehr bewegte Geschichte mit dem Hallenstadion.
Hotelier: Was haben Sie noch für Ziele?
Wüger: Zurzeit realisieren wir einen grossen Umbau in der «Krone». Dieser wird Ende 2018 abgeschlossen sein. Im Hallenstadion ist es so, dass der ZSC 2022 wegziehen wird, weil der Club in Altstetten eine neue Halle baut. Da sind wir nun dran, eine neue Strategie auszuarbeiten. Einen Hauptmieter, der 30 Veranstaltungen im Jahr mit 250 000 Besuchern durchgeführt hat, muss man erst einmal ersetzen. Dadurch werden wir jedoch mehr Terminflexibilität haben. Wir können vermehrt Mehrtagesanlässe annehmen. Dinge, die wir jetzt nicht mehr machen konnten. Bei Corporate-Veranstaltungen stehen wir in direkter Konkurrenz mit dem Kongresshaus. Das Hallenstadion ist auch perfekt geeignet für Konferenzen mit 600 bis 1000 Leute. Denn durch die grosszügigen Platzverhältnisse im Hallenstadion kann man den Konferenz- und Verpflegungsteil optimal voneinander trennen. Solche Geschichten werden wir vermehrt angehen müssen. Wir müssen den Leuten aufzeigen, was im Hallenstadion sonst noch möglich ist.
Hotelier: Henri Wüger, Sie sind in einer Hoteliersfamilie aufgewachsen. War für Sie schon immer klar, dass auch Sie dereinst diesen Weg einschlagen würden? Henri Wüger: Ja, die Branche hat mich immer fasziniert. Mein Vater wirtete im Hallenstadion, und mein Onkel führte das Hotel Sternen hier in Oerlikon. Ich verdiente meine Sporen ausserhalb des Familienbetriebs ab. Nach der Kochlehre, der Handelsschule und der Hotelfachschule Lausanne zog es mich in die internationale Hotellerie. Ich ging damals nicht davon aus, dass ich hier heimisch würde. Ich stand kurz davor, die Direktion eines Hotels im Ausland zu übernehmen. Und dann kam die Anfrage meines Vaters, im Hallenstadion einzusteigen.
Hotelier: Hat er viel Überzeugungsarbeit gebraucht? Wüger: Ich habe auf jeden Fall nicht auf Anhieb zugesagt. Für mich war das Hallenstadion damals eine alte Bude. Man hatte lange nichts mehr investiert. Sepp Vögeli, der damalige Direktor des Hallenstadions, hat mich dann überzeugt, einzusteigen. Mittlerweile bin ich fast 30 Jahre im Hallenstadion tätig. 1992 kaufte ich meinem Vater das Hotel Krone Unterstrass ab. Der «Sternen» kam erst 2012 dazu. Der Betrieb gehörte meinem Onkel. Mein Cousin hatte diesen Betrieb übernommen. Er war jedoch gesundheitlich angeschlagen. So habe ich ihm das Hotel abgekauft und komplett renoviert. Wir haben alles ausgekernt und neu aufgebaut. Es ist nun quasi ein neuer Betrieb. Davor hatte die Liegenschaft beträchtlichen Investitionsrückstand. Zurzeit bauen wir die «Krone Unterstrass» um. So bin ich seit 30 Jahren mehr oder weniger immer am Renovieren und am Sanieren bei einem der drei Betriebe.
Hotelier: Sie haben zwei Söhne. Werden diese, wie Sie selbst damals, in den Betrieb einsteigen? Wüger: Meine beiden Söhne haben auch in der Hotellerie Fuss gefasst. Die beiden werden in drei bis fünf Jahren einsteigen. Seit ich das weiss, bin ich ganz anders motiviert. Der eine Sohn ist noch an der Hotelfachschule Luzern. Zurzeit macht er ein Kaderpraktikum im «Marriott» Zürich. Der andere hat die Hotelfachschule Belvoirpark abgeschlossen und arbeitet als Restaurationsleiter im «Dorint». Die beiden ergänzen sich sehr gut. Der eine ist eher der Administrator, der andere mehr der Organisator. Wenn sie übernehmen, werde ich sie noch begleiten. Ich muss ja nicht mit 65 Jahren aufhören, das ist das Schöne. Ich kann mich etwas zurückziehen und aus dem Hintergrund wirken. Es war mir ein grosses Anliegen, dass meine Söhne zuerst extern Karriere machen. Es ist wichtig, dass die Jungen nicht zu früh einsteigen. Sie müssen ihre Erfahrungen anderswo machen und sich in einer Geschäftsleitungsposition behaupten. Das kann ich nur jedem empfehlen.
Hotelier: Was würden Sie als grössten Vorteil eines Familienunternehmens bezeichnen? Wüger: Man hat kurze Entscheidungswege. Wenn man als Mitarbeiter den Patron überzeugen kann, dann rollt die Geschichte. Zudem ist der Know-how-Transfer in einem Familienbetrieb vermutlich besser.
Hotelier: 2010 haben Sie die Wüger Gastronomie AG gegründet. Was waren Ihre Beweggründe? Wüger: Bis 2010 waren wir eine Einzelfirma. Diese Form hätte ich natürlich schon viel früher in eine Aktiengesellschaft überführen wollen. Denn als ich im Hallenstadion anfing, musste ich als neuer Gastronomiepächter bei null anfangen. Dadurch habe ich mich verschulden müssen. Bis ich wieder etwas Oberwasser hatte, konnte ich nicht investieren. Dies behagte mir nicht. So beschloss ich, eine AG zu gründen, die in sich selbstständig ist. Aber in unsicheren Zeiten eine AG gründen zu wollen, stiess bei den Banken nicht auf Begeisterung. Darum konnte ich die Wüger Gastronomie AG erst 2010 realisieren. Wenn meine Söhne einsteigen, werden wir allenfalls eine Expansion ins Auge fassen, um das Unternehmen etwas breiter abzustützen. Da gibt es natürlich interessante Projekte, die gut zu uns passen würden. Zum Beispiel ein Betrieb wie ein Schützenhaus Albisgüetli, ein grösseres Restaurant, wo wir unsere Erfahrungen einbringen könnten. Doch ich bin kein Fan von Expansion um jeden Preis. Das Ganze muss Sinn machen, und man muss damit auch Geld verdienen können.
Hotelier: Zürichs Hotellerie steht unter Druck. Es sind viele neue Hotels entstanden, und es werden noch zusätzliche dazukommen. Spüren Sie den Preisdruck? Wüger: Wir spüren den Preiskampf deutlich, und dieser wird sich noch massiv verstärken mit all den Hotels, die noch aufgehen werden. Einerseits sind wir von den Auktionen der grossen Firmen, die weltweit tätig sind und Logiernächte generieren, natürlich nicht ausgenommen. Andererseits sind da eben diese Mitbewerber, die für die Belegung fast alles machen. Auch preislich. Da gilt es das Schiff auf Kurs zu halten. Wir machen jedoch nicht jede Preisbewegung nach unten mit. Wir haben einen Preis-Range, in dem sich die Firmen bewegen können. Ein Unternehmen, das 1000 Logiernächte bucht, hat grundsätzlich einen anderen Preis als eine Firma, die zehn Logiernächte bucht. Das ist ja klar.
Hotelier: Was sehen Sie neben dem verstärkten Preisdruck noch als grosse Herausforderung für die Stadthotellerie? Wüger: In der Stadthotellerie gibt es Betriebe, die einen grossen Investitionsrückstand haben. Wenn dieser Rückstand nicht markant aufgeholt werden kann, dann haben solche Betriebe keine Chance. Der Gast will heute nicht mehr in ein Hotel, wo der Spannteppich schäbig und die Einrichtung veraltet ist. Die Leute wollen heute zu Recht ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ein Angebot, das wirklich State of the Art ist. Das ist die grosse Herausforderung neben diesen vielen Hotels, die im Entstehen begriffen sind. Solche Hotelsprünge hatten wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt. Doch der Flughafen ist immer mitgewachsen. Nach zwei, drei Jahren hatte sich die Sache wieder normalisiert. Nun ist aber das Problem, dass der Flughafen nicht mehr oder nur noch minim wachsen wird. So werden wir in Zukunft ein Überangebot haben. Erschwerend kommt Airbnb dazu. Ich habe nicht per se Mühe mit Airbnb, wenn die Spielregeln identisch sind. Taxen, Mehrwertsteuer, feuerpolizeiliche Auflagen; all diese Sachen, um die wir jeden Tag kämpfen müssen, die sollen für Airbnb auch gelten.
Hotelier: Sie führen ein Familienunternehmen, sind finanziell unabhängig und haben keinen Mäzen im Hintergrund. Schauen Sie ab und zu mit Neid auf Betriebe mit Investoren im Rücken? Wüger: Natürlich. Wir haben einige Beispiele von Hotels auf dem Platz Zürich, die den Markt verzerren. Das ist ja kein Geheimnis. Dann gibt es heute viele Immobilienfonds von Grossbanken, die in Geld schwimmen und einen Anlagenotstand aufweisen. Das «Kameha» ist ein typisches Beispiel, wo man auf der grünen Wiese an einem völlig unattraktiven Ort ein Fünfsternehotel baut, das überhaupt keine Daseinsberechtigung hat und auch nicht läuft. Mich stört das. Als ich hier den «Sternen» kaufte und umbaute, mussten wir unsere Hypotheken neu ausrichten. Dafür haben wir einen Businessplan gemacht und wurden auf Herz und Nieren geprüft. Dann bekamen wir die Hypotheken unter vielen Auflagen. Ich frage mich, was für ein Businessplan im «Kameha» gemacht wurde. Die gegenwärtige Niederzinspolitik ist verheerend für uns. Denn die grossen Immobilienfonds und institutionellen Anleger sind heute schon mit einer Nullrendite zufrieden. Hauptsache, es ist angelegt. Und dann diese Mäzene, die sich ein Hotel leisten, das ist definitiv ein Problem.
Hotelier: Sie sind nun rund 30 Jahre im Familienbetrieb involviert. Was hat sich in dieser Zeit verändert? Wüger: Auf der einen Seite ist die Erwartungshaltung der Kunden gestiegen. Im Veranstaltungsbereich, in der Hotellerie und in der Restauration. Ich kann mich noch gut erinnern: Als ich im Hallenstadion anfing, hatten wir in den oberen Rängen keine Kühlräume. Die Leute haben das Bier auch warm getrunken, und es hat keiner reklamiert. Das wäre heute undenkbar. Auf der anderen Seite haben wir im Gastgewerbe Mühe, gute Leute zu halten. Aus diesem Grund habe ich die Zimmerstunde abgeschafft. In Amerika gibt es sie seit 80 Jahren nicht mehr. Und wir in der Schweiz haben immer noch das Gefühl, wir könnten junge Leute motivieren, solch unattraktive Arbeitszeitsmodelle in Kauf zu nehmen. Es war jedoch ein Kampf, die Zimmerstunde in meinen Betrieben abzuschaffen. Ich stiess auf grossen Widerstand. Es braucht halt ein bisschen mehr Organisationstalent und ein bisschen mehr Kreativität bei der Dienstplanerstellung. Doch es hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Hotelier: Sie sind für die Geschicke der Restaurationsbetriebe Hallenstadion verantwortlich. Hätten Sie nicht lieber die Direktion der beiden Hotels übernommen?
Wüger: Das Hallenstadion ist von der Grösse und der Komplexität her der wichtigste der drei Betriebe. Und aus diesem Grund führe ich ihn persönlich. Denn das sind grosse Kisten, die dort ablaufen. Das liegt mir auch sehr. Ich bin nicht so der Handshaker. Mir liegt das Organisieren. Wir haben Bankette für 3000 Personen, Corporate-Veranstaltungen bis zu 6000 Personen und Publikumsveranstaltungen für 15000 Personen. Da muss ich persönlich ein Auge draufhaben, denn wenn etwas schief geht, hat man eine unerwünschte Hebelwirkung. Wir können uns im Hallenstadion keine Fehler in Bezug auf Lebensmittelhygiene leisten. Da gibt es Null-Toleranz.
Hotelier: Wie viel Mitarbeitende sind im Hallenstadion im Einsatz?
Wüger: Im Hallenstadion haben wir 25 Festangestellte, hauptsächlich Kaderleute sowie Küchenbrigade. Das sind neun Vollzeitmitarbeitende. Dann haben wir zusätzlich noch 500 Teilzeitmitarbeitende auf Abruf, mit denen wir die verschiedenen Bereiche verstärken. Das Küchenteam ist relativ gross, damit wir die Qualität halten können. Denn wir haben einen relativ stark ausgebauten VIP-Bereich. Dort muss man auf hohem Niveau Dienstleistungen erbringen. Da braucht es zwingend eine eingespielte Küchencrew.
Hotelier: Wie planen Sie die Einsätze der Teilzeitmitarbeitenden?
Wüger: Das Aufgebot der Teilzeitmitarbeitenden im Hallenstadion hat man früher per Telefon oder per Post gemacht. Das hat zu vielen Missverständnissen oder Now-Shows geführt. Seit vier Jahren haben wir die Personalverwaltungs-/ Planungssoftware Pers Plan Net im Einsatz. Wir waren die ersten in der Schweiz, die das System – eine Cloudlösung – integral verwendeten. Wir können unser Aufgebot aufschalten und die Mitarbeiter, die vom Profil her passen, erhalten ein SMS oder ein E-Mail. Diese können sich dann einloggen und sich für diesen Anlass anmelden. Seit wir das haben, ist das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden um 15 Jahre gesunken. Wir sprechen vermehrt Studentinnen und Studenten an. Mit dem alten System hatten sie es schwer. Die hatten da vielleicht ein- zweimal abgesagt und sind so durch das Raster gefallen. Heute sind sie hingegen immer dabei. Dieses System kommt ihnen entgegen. Da muss man eben schauen, dass man am Ball bleibt.
Hotelier: Wie lange läuft Ihr Vertrag im Hallenstadion noch?
Wüger: Mein Vertrag läuft noch bis 2025. Dann gibt es eine Neuverhandlung. Da ich einer der Hauptaktionäre des Hallenstadions bin, werden die Verhandlungen natürlich nicht ganz einfach (lacht). Es ist klar, unsere Leistungen müssen stimmen. Dann kann man jedoch plausibel erklären, warum man mit dem bisherigen Caterer weiterarbeitet. Damals im 98 krähte kein Hahn danach, der Caterer zu sein. Heute sieht die Situation etwas anders aus. Als ich 1998 anfing, stand das Hallenstadion wegen Misswirtschaft kurz vor dem Konkurs. Ich war auch auf dem Sprung. Doch der Konkurs konnte haarscharf abgewendet werden. Wir haben ein Aktionärsdarlehen eingeschossen, damit wenigstens die Löhne bezahlt werden konnten. Dann wurde mit André Bechir von Good News eine neue Direktion verpflichtet, der Verwaltungsrat wurde personell neu ausgerichtet und das Aktionärsdarlehen in Aktien umgewandelt. So kam es, dass wir plötzlich 47 Prozent der Aktien hielten. Damals wollte niemand investieren. Ich habe damals die Hypothek auf der Krone erhöht, damit ich das Aktionärsdarlehen einschiessen konnte. Dann sagten wir uns, wenn wir schon Geld drin haben, dann wollen wir auch mitbestimmen, wie es läuft. Aus dem Grund habe ich das VR-Präsidium der AG Hallenstadion übernommen. Mit der neuen Direktion haben wir das Umbauprojekt aufgleisen können. Als wir 2005 eröffnet haben, zog die Wirtschaft wieder an. Wir hatten eine sehr bewegte Geschichte mit dem Hallenstadion.
Hotelier: Was haben Sie noch für Ziele?
Wüger: Zurzeit realisieren wir einen grossen Umbau in der «Krone». Dieser wird Ende 2018 abgeschlossen sein. Im Hallenstadion ist es so, dass der ZSC 2022 wegziehen wird, weil der Club in Altstetten eine neue Halle baut. Da sind wir nun dran, eine neue Strategie auszuarbeiten. Einen Hauptmieter, der 30 Veranstaltungen im Jahr mit 250 000 Besuchern durchgeführt hat, muss man erst einmal ersetzen. Dadurch werden wir jedoch mehr Terminflexibilität haben. Wir können vermehrt Mehrtagesanlässe annehmen. Dinge, die wir jetzt nicht mehr machen konnten. Bei Corporate-Veranstaltungen stehen wir in direkter Konkurrenz mit dem Kongresshaus. Das Hallenstadion ist auch perfekt geeignet für Konferenzen mit 600 bis 1000 Leute. Denn durch die grosszügigen Platzverhältnisse im Hallenstadion kann man den Konferenz- und Verpflegungsteil optimal voneinander trennen. Solche Geschichten werden wir vermehrt angehen müssen. Wir müssen den Leuten aufzeigen, was im Hallenstadion sonst noch möglich ist.
Die AG
Die Wüger Gastronomie AG umfasst die drei Betriebe Hallenstadion Gastronomie, Hotel Sternen Oerlikon und Hotel Krone Unterstrass und befindet sich zu 100 Prozent im Besitz von Henri Wüger. Zusätzlich hält die Familie Wüger eine Beteiligung von knapp 37 Prozent des Aktienkapitals der AG Hallenstadion. Die Hallenstadion Gastronomie bietet eine Verpflegungskapazität von insgesamt 15 000 Personen und beschäftigt 25 Vollzeitangestellte und je nach Anlass bis zu 500 Teilzeitangestellte. Der «Sternen» ist als Dreistern-Superior-Businesshotel positioniert, verfügt über 56 Zimmer, das Restaurant Ö, die Bar Ö, einen Salon du Cigare und zwei Sitzungszimmer. Der «Sternen» beschäftigt 30 Mitarbeitende. Die «Krone» ist als Viersterne-Businesshotel klassifiziert, bietet 76 Zimmer, ein Restaurant und eine Bar, ein Strassencafé und zwei Säle. Das Hotel Krone verfügt über etwa 50 Mitarbeitende.
wueger-gastronomie.ch